_ Rechtsanwältin S.C. Melanie Holthus - Presse

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Hamburger Abendblatt vom 18.02.2017: "Norderstedterin erkämpft 75.000 Euro Schmerzensgeld" von Andreas Burgmayer

Schmerzensgeld – was heißt das eigentlich? Kann Geld Schmerz lindern, ertragenes Leid ausgleichen? Nein. Aber ein schlauer Mann hat mal gesagt: Mit Geld kannst du dir kein Glück kaufen. Aber es hilft bei der Suche danach. Petra W., 52 Jahre, Postangestellte aus Norderstedt, liebte den Moment, als in der Online-Übersicht für ihr Konto die Summe von 75.000 Euro auftauchte – das Schmerzensgeld. Ein Moment, so einprägsam und lebensverändernd wie jener, als sie im Frühjahr 2012 viel zu spät auf dem Gynäkologenstuhl der Dysplasie- Sprechstunde im Albertinen-Krankenhaus lag, die Ärztin sich ihr zuwendet und mit Blick auf ihren Intimbereich sagt: „Oh, ein Vulvakarzinom.“ Ihre langjährige Hamburger Frauenärztin hatte die Hautveränderung neben ihrer Vagina seit Juli 2011 als Herpes
behandelt. Nicht als potenziell tödliche Krebserkrankung.

„Unterlassene Befunderhebung“, sagt die Anwältin Melanie Holthus, die sich auf Medizinschadens- und Arzthaftungsrecht spezialisiert hat. Petra W. ist ihre Klientin. Und gemeinsam haben sie im Dezember 2016 vor dem Hamburger Landgericht ein Stück Rechtsgeschichte für die jährlich etwa 5000 Frauen geschrieben, die vom seltenen und vielfach aus falscher Scham wenig diskutieren Vulva-Karzinom betroffen sind. Am Ende der Verhandlung kam es zwar nicht zu einer Verurteilung der Frauenärztin von Petra W., aber zu einem Vergleich mit der hohen und für deutsche Verhältnisse nicht gewöhnlichen Schmerzensgeldsumme. „Da hat sich das Gericht ganz unseren Vorstellungen angeschlossen. Und die Gegenseite
hat das akzeptiert“, sagt Holthus.

Auch ein Gerichtsgutachter kam letztendlich zu dem Schluss, dass die
Hamburger Medizinerin spätestens beim dritten Untersuchungstermin mit
Petra W. die richtige Diagnose hätte stellen müssen. Dass sie dies versäumte, hat schwerwiegende Folgen für Petra W. Aus der anfänglich Pickel-artigen Hautveränderung war da nämlich schon ein stark schmerzendes, bis tief ins Gewebe reichendes Vulva-Karzinom geworden,
das in den Lymphknoten Metastasen gebildet hatte. Die Ärzte entscheiden
sich für eine radikale Operation. Sie entfernen die äußeren Schamlippen und die Klitoris, außerdem zwei Lymphknoten. Danach folgen für die damals
49-Jährige noch die Bestrahlungs- und Chemotherapie.
Als das Abendblatt

 

im April 2015 das erste Mal über Petra W. berichtet ist aus der früheren sportlichen Frau, die mit dem Postrad Briefe zustellte, eine zu 80 Prozent Schwerbehinderte geworden, die zweimal in der Woche Lymphdrainage bekommt, um die Lymphödeme aus den dadurch stark angeschwollenen Beinen zu bekommen. Eine Frau, die sich nicht mehr traut, ins Schwimmbad oder die Sauna zu gehen, die ihren Job als Zustellerin für einen im Innendienst aufgeben musste und – so gut es geht – die Angst vor dem Krebs-Tod zu verdrängen versucht. Ganz zu schweigen von ihrem kaum mehr vorhandenen Liebesleben. Im Februar 2017 hat sich für Petra W. an diesem Alltag wenig verändert. Und doch ist da viel mehr Hoffnung. Sie ist im fünften Jahr nach der Operation, und der Krebs ist nicht zurückgekommen.
Mit dem Geld von der Versicherung der Frauenärztin konnte sie ihre
Eigentumswohnung abbezahlen. „Und ich habe noch was auf der hohen Kante.“ Mit dem Vergleich ist ihr ein Rechtsstreit über weitere Jahre erspart geblieben. „Meine Gesundheit konnte ich durch diesen Prozess und auch nicht durch den Vergleich zurückbekommen, das war mir schon klar“, sagt Petra W., „aber ich habe Genugtuung erfahren, kann mit der Sache jetzt abschließen und mein Schicksal annehmen. Ich kann sagen: Es geht mir gut!“

Für Anwältin Holthus ist der Fall Petra W. einer mit Signalwirkung. Frauen
müssen durch das Schicksal von Petra W. lernen, wie wichtig Vorsorgeuntersuchungen sind. „Keine falsche Scham: Die Untersuchung ist eine Kassenleistung“, sagt Holthus. Und im Zweifel sollte jede Frau schon im frühen Stadium die Dysplasie-Sprechstunden aufsuchen, die etwa im Albertinen-Krankenhaus in Schnelsen, im UKE und anderen Kliniken Hamburgs angeboten werden.

Die Frauenärztin, sagt Petra W., habe sich niemals bei ihr entschuldigt. Im
Gegenteil. „Sie ist fest davon überzeugt, dass es an meinem Krankheitsverlauf nichts verändert hätte, wenn sie das Karzinom entdeckt hätte.“ Sie sieht ihren Fehler nicht ein. Eine Hybris, deren Folgen Petra W. zu ertragen hat.


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