_ Rechtsanwältin S.C. Melanie Holthus - Aktuelles

Unterlässt der Operateur bei einer Bandscheibenoperation die Stabilisierung der Wirbelsäule, hat der Träger des Krankenhauses für eine daraus resultierende Querschnittslähmung haftungsrechtlich einzustehen.

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 20.02.2007 - 4 U 53/07, abgedruckt VersR 2007, 798

Die unterbliebene intraoperative Stabilisierung der Wirbelsäule (mittels eines Fixateur interne) stellt einen Behandlungsfehler dar.

Das Landgericht Gera ist mit der zugrunde liegenden Entscheidung zu der Auffassung gelangt, dass die streitgegenständliche Bandscheibenoperation nicht sachgerecht entsprechend den Regeln der ärztlichen Heilkunst erfolgte, da die gebotene Stabilisierung der Wirbelsäule verabsäumt wurde.

Infolge der unterbliebenen Stabilisierung der Wirbelsäule ist es zu einer irreversiblen Querschnittslähmung gekommen, für die das beklagte Klinikum haftungsrechtlich einzustehen hat.

Im Vordergrund der Entscheidung stand die haftungsrechtlich relevante Frage, ob bei dem erfolgten operativen Eingriff an der Wirbelsäule den betroffen Ärzten ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen anzulasten ist, ihr Vorgehen sich demnach nicht als sachgerecht entsprechend den Regeln der ärztlichen Heilkunst erweist.
Der operative Eingriff zeichnete sich dadurch aus, dass er so wie er durchgeführt wurde, in der Fachliteratur nicht beschrieben wird, vielmehr sehr individuell ausgestaltet gewesen ist. Die landgerichtliche Entscheidung weist daher eine Besonderheit dergestalt auf, dass mit sachverständiger Unterstützung, eine ärztliche Behandlung zu bewerten gewesen ist, ohne hierbei auf einen in der medizinischen Fachwelt beschriebenen „medizinischen Standard“ für das sachgerechte operative Vorgehen zurückgreifen zu können. Weder die medizinische Fachliteratur lieferten vorliegend Ansatzpunkte zur Beurteilung des erfolgten resp. des indizierten operativen Vorgehens, noch die von den Fachgesellschaften, Berufsverbänden und der Bundesärztekammer herausgegeben Richt- und Leitlinien sowie Empfehlungen.

Eine ärztliche Haftung setzt nach der stetigen höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Verpflichtung der Behandlerseite, also in der Regel des Arztes, an, den Patienten nach dem anerkannten und gesicherten Standard der medizinischen Wissenschaft zu behandeln. Der Verstoß gegen die Regeln und Standards der ärztlichen Wissenschaft versteht sich dabei als Behandlungsfehler (s. hierzu u.a. BGH, Urteil v. 06.05.2003, NJW 2003, 2311). Verletzt ein Arzt die ihm obliegende Verpflichtung, gemäß den von ihm zu fordernden medizinischen Kenntnissen und Erfahrungen im konkreten Fall diagnostisch und therapeutisch sorgfältig und vertretbar vorzugehen, erweist sich sein Vorgehen als behandlungsfehlerhaft.

Im vorliegenden Fall, den das Landgericht Gera zu entscheiden hatte, kam der gerichtliche Sachverständige, und die Kammer sich dem anschließend, zu der Feststellung, dass die biochemischen Grundsätze zu beachten gewesen wären. Die Anatomie der menschlichen Wirbelsäule versteht sich nach den biochemischen Grundsätzen als sog. 3-Säulen-Modell. Bei dem hier erfolgten Eingriff wurden zwei dieser drei Säulen verletzt, woraus eine erhebliche Schwächung der Wirbelsäule resultierte, die eine Stabilisierung erforderlich machte, um dieser Schwächung entgegenzuwirken. Vor diesem Hintergrund bewertete sich das Vorgehen der betroffenen Ärzte als behandlungsfehlerhaft.

Die vom Träger des Krankenhauses eingelegte Berufung wurde zurückgenommen, sodass das Teil- und Grundurteil des Landgerichtes Gera rechtskräftig ist.